Das elektronische Patientendossier: Ziel und Inhalt

Das elektronische Patientendossier (EPD) wird im Schweizer Gesundheitswesen immer wichtiger. Laut EPD stärkt es die Qualität der medizinischen Behandlung, erhöht die Patientensicherheit und steigert die Effizienz unseres Gesundheitssystems. In diesem Artikel schauen wir genauer hin.

Wir kennen das alle: Sobald verschiedene Gesundheitsbetriebe in einen Gesundungsprozess involviert sind, hapert es gern beim Informationsaustausch. PatientInnen merken das meist dann, wenn sie immer wieder die gleichen Fragen des medizinischen Personals beantworten müssen. "Das steht doch in den Unterlagen", denken wir dann. Ja, sollte es.

Genau darum gibt es dieses elektronische Patientendossier.

Sinn und Zweck: Zugriff auf Informationen haben und Zeit gewinnen

Unser Gesundheitssystem ist oft mit Notfällen konfrontiert. Es geht um Zeit, um Wissen, um Zusammenhänge, um schnelles Handeln. Kurzum: Es geht darum, Leben zu erhalten!

Nicht einmal wir selbst wissen immer auf die Schnelle, welche Operationen wir schon hatten und die Namen der Medikamente, die wir einnehmen müssen.

Und bewusstlose Menschen erst recht nicht. Diese Informationen wären aber für eine Operation oder andere dringende Entscheidungen immens wichtig. Ein zentraler Zugriff ermöglicht Informationen, zum Beispiel Diagnosen, Arztberichte, die Medikationsliste, Röntgenbefunde, den Impfausweis, etc. Diese helfen in Notsituationen wesentlich!

Es werden nur Daten erfasst, die für andere Fachpersonen und für die weitere Behandlung relevant sind. Also keine Krankengeschichte (Anamnese).

Im Zeitalter der hohen Mobilität ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch ausserhalb unseres normalen Lebensraumes einmal auf Pflege angewiesen sein könnten, sehr hoch. Dann sind solche Informationen unersetzlich!

Ein elektronisches Patientendossier macht also Sinn, zumal wir selbst bestimmen können, wer, wann, worauf Zugriff hat. Arbeitgeber, Behörden, Krankenversicherer, Zusatzversicherer oder Lebensversicherer haben keinen Zugriff.

Beispiele, wie das EPD eingesetzt wird, finden Sie "hier."

Automatische Anmeldung und doch freiwillig

Stand heute muss man sich bei einem von acht Anbietern selbst anmelden. In Zukunft jedoch soll das EPD automatisch erstellt werden, ohne dass man es explizit beantragen muss. Trotzdem bleibt es freiwillig. Im Moment schlägt der Bundesrat vor, dass, wer kein Dossier möchte, beim Wohnsitzkanton Widerspruch anmelden muss.

Für den Zugang zum elektronischen Patientendossier soll die "staatliche E-ID" genutzt werden, die voraussichtlich ab 2026 ausgestellt wird.

Vorbehalte und Verbesserungen seitens der Politik

Es liegt auf der Hand, dass Daten zu unserer Gesundheit sehr heikel sind, also dem Datenschutz unterliegen und als besonders schützenswert angesehen werden müssen.

Selbst der Suchmaschinenriese Google hat zu Daten rund um Gesundheit strenge Richtlinien. "Your Money, Your Life" (YMYL) beinhaltet Webseiten, die unter anderem zum Thema Gesundheit Dienstleistungen anbieten oder als Ratgeber fungieren. Es geht bei YMYL um das Wohl der Gesellschaft und dieses muss sorgfältig geschützt werden. Darum gelten hier besondere Bestimmungen.

Auch beim Bund sind Gesundheitsdaten sehr wichtig, sodass der Bundesrat ein entsprechendes Bundesgesetz entworfen hat, das Daten im Patientendossier schützt und weiterentwickelt. Dies kann durch klare Zuständigkeiten und einer Reduktion von Schnittstellen erreicht werden.

  • · Die dezentrale Struktur soll mehr zentralisiert und die Verantwortlichkeit geklärt werden.
  • · Der Bund ist neu zuständig für die Beschaffung der zentralen technischen Infrastruktur und für deren Weiterentwicklung.
  • · Die Kantone sollen den Betrieb mindestens einer Stammgemeinschaft auf ihrem Gebiet sicherstellen.
  • · Die Stammgemeinschaften (Gesundheitsfachpersonen und ihre Einrichtungen in einem technisch-organisatorischen Verbund) bieten das EPD wie bisher in ihrem Verantwortungsgebiet an. Sie beraten und unterstützen die Patientinnen und Patienten sowie die Leistungserbringer beim Anschluss an das EPD.

"In Zukunft soll das EPD zudem entlang der gesamten Behandlungskette verbindlich eingesetzt werden. Neben den Spitälern und Pflegeeinrichtungen werden neu auch die ambulanten Leistungserbringer wie Ärztinnen, Apotheker, Physiotherapeutinnen und Chiropraktoren verpflichtet, das EPD anzuwenden und alle behandlungsrelevanten Daten einzutragen. Neu erhalten alle Personen, die in der Schweiz wohnen und obligatorisch kranken- oder militärversichert sind, automatisch und kostenlos ein EPD. Wer kein Dossier will, kann Widerspruch gegen die Eröffnung des EPD einlegen ("Opt-Out"). Für den Zugang zum EPD soll die staatliche E-ID genutzt werden." schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einer Medienmitteilung vom 27. September 2024.

Bedenkenswertes

Wir alle möchten gesund sein und bleiben. Ereignisse und damit gemachte Erfahrungen aus den letzten Jahren haben unser Gesundheitssystem massiv gefordert. Auch die demografische Entwicklung, Fachkräftemangel und Künstliche Intelligenz werden uns im Gesundheitswesen und als Gesellschaft intensiv herausfordern.

Dass das elektronische Patientendossier durch den Bundesrat vorangetrieben wird, ist verständlich. Es sollen Voraussetzungen für einen besseren Informationszugang und -austausch geschaffen werden. Frühzeitig. Entscheidend sind die Art und Weise, das Look and Feel und Sicherheitsgarantien.

Das heisst allerdings noch lange nicht, dass die Voraussetzungen für Datensicherheit auch genügen. Oder dass Menschen, besonders ältere, auch verstehen, wie sie damit umgehen und was sie tun müssen (fehlende digitale Skills).

Laut dem Digitalbarometer fehlt es bei 31 % der Schweizer Bevölkerung an digitalen Grundkompetenzen.

"Drei von zehn Personen in der Schweiz haben Mühe, sich im zunehmend digitalisierten Alltag zurechtzufinden. Ihnen fehlt es an grundlegenden Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Geräten und Anwendungen. Das Risiko fehlender digitaler Grundkompetenz variiert signifikant nach Bildung, Alter und Einkommen." schreibt der Digitalbarometer (erstellt von der Stiftung Risiko-Dialog) weiter.

"42 % der älteren Menschen haben keine grundlegenden digitalen Kompetenzen. Diese Zahl ist erschreckend hoch." (Sarah Müller, Gesundheitszentrum für das Alter Klus Park, © Digitalbarometer.ch)

Wann wird das Dossier gebraucht? Wenn jemand krank oder verletzt ist. Also von vulnerablen, körperlich oder psychisch angeschlagenen und oft alten Menschen. Gute Voraussetzungen sind das eine, die Aktivierung und das korrekte Einrichten das andere.

Wenn der Zugang zu den Daten im Vorfeld nicht korrekt freigegeben wurde, nützt das EPD im Notfall nichts.

Es gibt also noch ganz viel zu bedenken.

Das EPD ist zudem nicht die einzige Umstellung in den digitalen Bereich, wo Vertrauen aufgebaut und ein sicherer Umgang gefunden werden muss.

Das ist viel auf einmal und braucht eine professionelle Koordination (Link zu Artikel "Gesundheitswesen Schweiz. Perspektiven. Möglichkeiten!?"), verständliche Unterstützung und Geduld. Damit wir nicht im unübersichtlichen Stückwerk landen. Da, wo wir im Moment sind.

Gerade bei heiklen Daten, wie sie im elektronischen Patientendossier enthalten sind, wären Unübersichtlichkeit und Stückwerk grosse Schwachpunkte, die es zu verhindern gilt.

Unbedingt!

11.11.2024, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon