Alterspflege zuhause: Vor- und Nachteile
Wenn die Kraft im Alter nachlässt, wird auch der Bewegungsradius enger, die Welt automatisch kleiner und die Lust auf Neues entfällt immer mehr. Kein Wunder, gewinnt das Bedürfnis, sich zuhause pflegen zu lassen und die Altersruhe in der gefühlten Sicherheit zu verbringen, immer mehr an Gewicht. Alterspflege zuhause. Vor- und Nachteile im Fokus.
Gemäss dem Artikel "Rasantes Wachstum: Pflege zuhause gewinnt an Bedeutung" der Aargauer Zeitung nehmen immer mehr Personen über 80 Jahren Pflege zuhause in Anspruch. Aktuell sind es rund 405'000 Personen in der Schweiz. 2022 waren es 5 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung, zehn Jahre zuvor erst 3 Prozent (Quelle: Bundesamt für Statistik, BFS).
Diese Zunahme hat Auswirkungen auf Pflegejobs im Gesundheitswesen und für die Betriebe selbst.
Als Angehörige wünschen wir unseren Eltern oder Verwandten einen Ort der Geborgenheit, wo sie ihren Lebensabend verbringen können. Sind die SeniorInnen einigermassen fit und können die wichtigsten Hausarbeiten noch selbst erledigen, können sie bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Findet man bei Bedarf dann jemanden, der im Haushalt mithilft, gibt uns dies ein gutes Gefühl. Die Sicherheit ist gewährleistet. Die Spitex oder eine ähnliche Organisation sorgen vielleicht dafür, dass Medikamente korrekt gerichtet sind und bei Bedarf kann die Unterstützung noch ausgebaut werden.
Die SeniorInnen fühlen sich zuhause und werden gesehen und gehört. Im Alterszentrum oder im Spital ist man einer/eine von vielen - keine besonders verlockende Aussicht. Dafür ist uns Individualität zu wichtig.
Und das, wie gesagt, möglichst in der eigenen Wohnung, da, wo die Welt "noch in Ordnung ist". Eine Welt, die man kennt und einordnen kann.
Das sind wertvolle Vorteile. Erfüllte Wünsche sind immer schön. Doch manchmal neigen wir dazu, nur das Schöne zu sehen und andere wichtige Tatsachen auszublenden.
Die gute Nachricht: Pflege zuhause wird finanziell unterstützt
Wer Pflege zuhause wünscht, beansprucht vielleicht die naheliegende Spitex-Organisation. Diese verzeichnen ein langsames und stetiges Wachstum. Private, erwerbswirtschaftliche Unternehmen hingegen legten stark zu. Auch die selbstständig erwerbenden Pflegefachpersonen nahmen stark zu (Verdoppelung).
Pflege ist ein Dienst an Menschen. Fachwissen, Mitgefühl und klare Kommunikation sind in diesem Beruf immens wichtig.
Unterstützung erhalten die Anbieter von der sogenannten Pflegefinanzierung. Diese sieht einen finanziellen Beitrag der öffentlichen Hand für alle Leistungserbringer vor, unabhängig von deren Rechtsform. Krankenversicherer finanzieren die Pflege zuhause nach festen, seit einem Jahrzehnt unveränderten Tarifen von durchschnittlich 59 Franken pro Pflegestunde. Der Restbetrag wird von der öffentlichen Hand sowie von den Klientinnen und Klienten bezahlt.
Soweit so gut. Unsere Gesellschaft unterstützt unsere Gesundheit. Eine Art Sorglos-Paket also. Finanziell ist somit vieles machbar und das macht Pflege zuhause auch attraktiv. Solange alles gut geht.
Was bedeutet diese Entwicklung für Fachkräfte im Gesundheitswesen?
Alterspflege selbstständig erwerbend oder im Team
Wer bei einer Spitex oder ähnlichen Organisation arbeitet, erhält meistens ein paar Stunden vor dem Einsatz genaue Angaben zum aktuellen Gesundheitszustand der Klienten. Die Verantwortung für einen Klienten wird von einem ganzen Team getragen. Selbstständig erwerbende Pflegende sind zu einem gewissen Teil auf sich selbst gestellt, was eine hohe Eigenverantwortung bedeutet. Dabei ist es wichtig, sich bei Bedarf entsprechende Unterstützung zu holen (beispielsweise Hausarzt oder örtliche Spitex). Wer selbstständig arbeitet, muss dementsprechend zusätzlich noch administrative Arbeit leisten.
Wird die Leistung durch die Krankenversicherung bezahlt, gibt es Vorgaben, was genau alles gemeldet werden muss.
Berufliche Selbstständigkeit braucht einen langen Atem und ein entsprechendes Persönlichkeitsprofil. Alleine Verantwortung zu tragen, wird im Gesundheitswesen immer herausfordernder. Hier gilt es, sich auch rechtlich gut abzusichern.
Die Vorteile von Spitex und Selbstständigkeit sind etwas mehr Spielraum und Abwechslung als in einem Alters- und Pflegezentrum.
Was bedeutet dies für SeniorInnen, die sich zuhause pflegen lassen möchten?
In Notfällen dauert Hilfe länger. Das heisst, "nur" die Person vor Ort kann erste Hilfe leisten. In Gesundheitsbetrieben können lebensrettende Massnahmen viel unmittelbarer eingesetzt werden.
Diesen einen Moment, der vielleicht gar nie eintritt, kann man nicht im Vorfeld erahnen. Darin liegt der grosse Nachteil der Pflege zuhause. Das Risiko, vielleicht nicht rechtzeitig Hilfe zu bekommen, ist höher.
Kommt dazu, dass die Gefahr, zu vereinsamen, bei SeniorInnen, die immer weniger mobil sind, ziemlich gross ist. Auf einmal sitzt Grossmami zuhause fest und die restliche Welt dreht sich unbeeindruckt weiter. Der Alltag läuft mit grossen Schritten und alle sind voll beschäftigt. Die Tage vergehen wie im Flug - nicht jedoch für Grossmami.
Kein Radioprogramm, kein TV und kein Telefongespräch kann ein menschliches Gegenüber auf Dauer ersetzen.
Den "richtigen" Zeitpunkt nicht verpassen
Mit zunehmendem Alter wird das Zuhause immer wertvoller. Deshalb sollen SeniorInnen so lange wie möglich in ihrer Wohnung mit den damit verbundenen Erinnerungen bleiben können. Denn diese geben Kraft und Perspektiven. Nicht selten verliert sich beides bei einem Umzug ins Altersheim.
Es sei denn, man plant dies als einen Teil seines Lebens mit ein. In einer Phase, wo man noch selbstständig entscheiden und handeln kann.
Alters- und Pflegeheime bieten oftmals die Möglichkeit eines Probewohnens an. Auf diese Weise können sich SeniorInnen ein Bild von der Gesundheitseinrichtung machen.
Fazit:
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, dringend medizinische Hilfe zu benötigen. Wohnen in einem Alters- und Pflegezentrum wird dieser Situation Rechnung getragen und das beruhigt auch die Angehörigen, weil sie ihre Liebsten gut aufgehoben wissen.
26.9.2024, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon