Vom Datenerfassungswahn-Sinn im Gesundheitswesen
Mediziner in den Spitälern wenden pro Tag 2 Stunden für Papierkram auf. Sogar der Gang zur Toilette muss erfasst werden. Das ist sehr nervend, weil diese Zeit für die Behandlung von Patienten fehlt. Datenerfassung macht dann Sinn, wenn die richtigen Daten erfasst und im richtigen Zusammenhang gedeutet und ausgewertet werden. Ein Einblick ist eine Arbeitswelt, die so nicht bleiben darf: Sinn-lose Datenerfassung im Gesundheitswesen.
Es ist das persönlichste Buch, das die deutsche Bestseller-Autorin Charlotte Link geschrieben hat. Unter dem Titel «Sechs Jahre» beschreibt sie die Krankheitsgeschichte ihrer Schwester. Von Beginn der Krebsdiagnose bis zum Tod. Was dieses Buch ausmacht, ist das Ringen um Leben. Der Einblick in den deutschen Klinikalltag, dem sich Krebspatienten - und mit ihnen ihre Angehörigen - ausgesetzt sehen, ist teilweise schwierig auszuhalten. Im Kampf um das Leben ihrer Schwester trifft die Autorin auf grossartige und engagierte Ärzte, aber auch auf solche, deren Verhalten schaudern lässt und Angst macht.
Kommt dazu, dass unter den verschiedenen Gesundheitsbetrieben offensichtlich wertvolles Wissen nicht ausgetauscht, bzw. zur Verfügung gestellt wird.
Ähnliches zeigt auch der NZZ-Artikel «Datenmüll und Informationschaos: Warum wir so viel Mühe
haben, das Gesundheitswesen zu verbessern» (15.3.2023). Die nachfolgenden Infos sind ein Auszug aus diesem Artikel.
Mühsam erfasste Daten werden nicht genutzt
Ist es nicht zermürbend, wenn man als Patient jedes Mal die gleichen Fragen beantworten muss, wenn man untersucht wird? Obwohl für die Abrechnungen der Krankenkassen viele Daten gesammelt werden, können diese nicht ausgewertet werden.
Man würde damit teure Leerläufe bei der Behandlung von Kranken verhindern. Zudem würden diese Daten die Forschung unterstützen, welche Bevölkerungsschichten welchen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.
Ein Grossteil der Informationen, die Ärzte und Pflegende mit grossem Aufwand sammeln, sei überflüssig, berichtet der NZZ-Artikel. Nicht überall gibt es digitale Meldeformulare, sodass sie ausgedruckt werden und mühsam von Hand ausgefüllt werden müssen. Die Spitäler haben zwar elektronische Datenverarbeitungssysteme, doch diese sind oft nicht miteinander kompatibel. Sprich ein Austausch ist sehr erschwert.
Werden im Spital Daten zu einer Person erfasst, nützen diese später in der Apotheke oder im Altersheim kaum etwas.
Woran liegt es, dass diese Daten nicht sinnvoll eingesetzt werden?
«Aufgrund des fragmentierten Gesundheitssystems in der Schweiz gibt es keine zentrale Übersicht über die vielen bestehenden Datenbanken, welche Art von Informationen sie enthalten und ob die Daten über Datensilos hinweg interoperabel sind.»
folgert das nationale Forschungsprojekt (NFP) 74 «Gesundheitsversorgung» im NZZ-Artikel. Weiter würden auch rechtliche Hürden dafür sorgen, dass das Potenzial der erfassten Daten nicht genützt werden kann.
Die richtigen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Wir haben ein Gesundheitssystem, das immer wieder überfordert ist. Krankheit und Unfälle fragen nicht nach unserem Terminplan, ob es vielleicht jetzt gerade passt. Dazu bleiben noch so wertvolle Weiterentwicklungen im administrativen Bereich nur Zukunftswünsche.
Dieser Zustand ist nie und nimmer die Idee der Digitalisierung!
Das Internet entstand, damit Wissen ausgetauscht werden kann. Insbesondere das Gesundheitswesen könnte von diesem Austausch enorm profitieren. Das Potenzial liegt auf der Hand!
Doch wie so oft stellt sich die Frage, welche Daten erhoben werden sollen? Es geht nie um die Masse, sondern um Aussagekraft und Qualität. Wer soll welche Daten erheben und wie werden diese ausgetauscht? Und wie soll mit diesen sensiblen Daten umgegangen werden?
Diese Fragen bleibt uns die Politik schuldig. Zumindest im Moment. Manche Mühlen mahlen langsam. Und in der Zwischenzeit verlassen wichtige Fachkräfte das Gesundheitswesen. Wir würden dies auch tun. Wenn unsere wertvolle Vision zweckentfremdet wird. Für etwas, das nicht mal von Nutzen ist.
Alles für die Katz?? Das kann es nicht sein! Ist es auch nicht. Es könnte besser sein.
Patientenkompetenz leben ? den Daten einen Sinn geben
Was können wir selbst tun? Als Patienten muss es in unserem Sinn sein, dass der behandelnde Arzt informiert ist. Das bedeutet nicht, dass wir die Diagnose stellen! Doch es macht durchaus Sinn, ein Krankheitstagebuch zu führen, auf das wir bei Bedarf zugreifen können.
Im Coaching geht man davon aus, dass die Lösung im Coachee, also beim Ratsuchenden liegt. Sprich, ihm werden die Kompetenzen zugetraut bzw. zugesprochen, dass er/sie mithilfe des Coaches eigene Lösungen findet. Natürlich können wir uns nicht selbst heilen.
Patientenkompetenz bedeutet, dass wir uns selbst besser verstehen, besser Auskunft geben können und so besser vorbereitet sind.
Wenn Untersuchungen durchgeführt werden, die Ergebnisse immer auch anfordern, wenn dies erlaubt ist. Patientenkompetenz soll helfen, wichtige Informationen schnellstmöglich zur Verfügung zu stellen.
Um noch einmal zum oben genannten Buch zurückzukommen:
Als die Schwester von Charlotte Link die Krebsdiagnose erhielt, «gab man ihr» noch zwei Jahre. Die Autorin suchte immer wieder nach Möglichkeiten und Entwicklungen, die vielleicht noch helfen könnten. Vielleicht ist es genau diesen Bemühungen zu verdanken, dass ihre Schwester noch 6 Jahre leben konnte.
Genau darum geht es letztendlich.