Coaching-Tipp: Covid-19 und der Wunsch nach Normalität in der Pflege

Insbesondere in Krisenzeiten ist der Wunsch nach Normalität gross. Nie hätten wir gedacht, dass wir uns den oft verpönten grauen Alltag zurückwünschen. Covid-19 ist nicht nur für Erkrankte schlimm, sondern auch für die, die diese Menschen behandeln und begleiten: das Pflegepersonal.

Normalität: Das bedeutet in der Pflege, wieder etwas mehr Zeit für die Patienten zu haben. Weniger Belegung auf der Intensivstation. Weg von dieser Übermacht Covid-19 hin zu Wahloperationen. Wieder Zeit für das eigene soziale Umfeld. Kraft tanken können. Zeit für sich selbst haben, um gesund bleiben zu können. Schwere Zeiten hinterlassen Spuren…

Wann wird die Normalität in Spitälern, Altersheimen etc. wieder zurückkehren? Das ist die grosse Frage, sowohl für das Pflegepersonal, wie auch für die Bewohner oder all diejenigen, die auf eine Operation warten.

Klar ist, diese bisherige Normalität kann nicht alleine durch das Pflegepersonal herbeigeführt werden!

Was wir tun können

Alle:

Alle in der Schweiz lebende Personen tragen Verantwortung für Handlungen, die sie nicht oder zu wenig wahrnehmen.

Jede unserer Handlungen hat Folgen, löst Reaktionen aus. Manche nehmen wir wahr, viele nicht. Ein Paradebeispiel ist die Klimaveränderung. Anhaltend nehmen statt verzichten oder versorgen hat kurzfristig unscheinbare, langfristig aber sichtbar katastrophale Folgen. Das macht das Ganze enorm schwierig.

Warum soll ich mich verändern, wenn ich keine Probleme erkenne? Covid-19 trifft nicht jeden gleich hart und die krassen Auswirkungen sind nur im Spital oder Altersheim ersichtlich. Nicht umsonst gibt es die Erlebnispädagogik, weil selbst erleben den höchsten Lernfaktor hat.

Vielen von uns fehlen persönliche Erlebnisse mit Covid-19.

Erst wenn wir unsere Arbeitsstelle oder gar nahestehende Verwandte oder Bekannte verlieren, realisieren wir, dass da doch mehr ist.

Gesellschaftliche Verantwortung kann nicht delegiert werden. Sie ist die Summe einzelner Handlungen, die eine aufbauende oder zerstörende Wirkung zeigt.

Politik:

Respekt vor Leistung in der Gesundheitsbranche äussert sich in angemessenen Arbeitsbedingungen, einer fairen Entlöhnung und grundsätzlichen Unterstützung.

Siehe auch «Geduldsprobe für Coronahelden: Parlament ist uneins bei Förderung der Pflege» (Aargauer-Zeitung.ch). Die Politik ist gefordert, schnelle und wirksame Lösungen zu bieten.

Irgendwann festigt sich der Ruf einer Branche und je nach dem wird die Rekrutierung von Fachpersonal schwierig.

Das ist bei schwankenden Auswirkungen von Krankheiten und insbesondere in einer Pandemie mit hohen Fallzahlen fatal!

Die neue Normalität

Krisen gehören zu unserem Leben, sind schmerzhaft, konfrontieren uns mit unserer Begrenztheit und Endlichkeit. Der bekannte Krebsspezialist Prof. Gerd Nagel ging nach einer Leukämie-Diagnose selbst durch eine tiefe Krise. Er formulierte den Begriff der «neuen Normalität». Wer eine schwere Krankheit durchmacht oder einen schweren Unfall erlebt hat, muss sich regelrecht zurück ins Leben kämpfen.

«Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass ich bis zu meinem Lebensende von Medikamenten abhängig bin»

Dieses Zitat stammt von einem Mann, der kurz nach seiner Pensionierung auf einer Weltreise einen schweren Herzinfarkt erlitt. Schwere Krankheit konnten wir bisher eher als Ausnahme definieren oder ins höhere Lebensalter verbannen. Covid-19 hat dies verändert.

Jetzt betrifft es die Masse. Kurz: uns alle.

17.11.2020, Andreas Räber, Enneagramm Trainer Cp, Wetzikon